Wenn der Hund nie zur Ruhe kommt
Niemals entspannen können, die Aufmerksamkeit nicht halten, Reizen ausgeliefert sein, andauernd in Bewegung. Was bei Menschen, vor allem bei Kinder im Fokus der Wissenschaft getreten ist, die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), könnte doch bei Hunden ebenso von Bedeutung sein?
Sind somit auf einmal alle impulsiven oder schlecht zu kontrollierende Hunde pathologisch? Welpen und junge Hunde sind von Natur aus noch nicht in der Lage, sich längerfristig auf Aufgaben zu konzentrieren. Sie sind reiz offener gegenüber vielen Ablenkungen. Das gehört jedoch zu einer normalen Entwicklung eines Welpen. Typische Kennzeichen sind leichte Ablenkbarkeit und geringe Frustrationstoleranz. Damit der juvenile Hund später ein gut integriertes Individuum in seinem sozialen Umfeld werden kann, ist eine begleitende Erziehung in der Entwicklung von immanenter Bedeutung. Aushalten von Frustration, Orientierung an den Halter als auch die Fähigkeit sich zu Konzentrieren sind Felder, die gelernt werden sollten.
Auch genetische Anlagen führen oftmals zu einem übersteigerten Verhalten. Der typische Hütehund z. B. ist für Bewegungsreize sehr empfänglich. Werden schon im Welpenalter unkontrollierte „Bewegungsspiele“ wie dem ständigen Nachlaufen von Bällen ausgeübt und wirken diese Art von Reizen permanent auf den Hund ein, ist ein reiz-überfluteter Hund im erwachsenen Alter keine Seltenheit. Ständig in Bewegung, unruhig und jeden äußeren Reiz nach jagend, wird es durch den an trainierten inneren Zwang zu einer Qual werden. Diese Hunde wirken immer angespannt, unruhig und wenig souverän. Der Erregungslevel ist sofort sehr hoch und sie wirken bei Ansprache durch den Halter wenig konzentriert als auch schnell das Kommando vergessend. Dieses hypertrophierte Verhalten, was sich durch permanente Forderung nach Aufmerksamkeit ausdrücken kann, führt bei vielen verzweifelten Haltern dazu, durch Trainings mit Bällen oder Frisbee dem Hund etwas gutes geben zu wollen. Bis es zum körperlichen Erschöpfungszustand des Tieres kommt und somit eine Ruhepause eingelegt werden kann. Dadurch wird dieses übersteigerte Verhalten weiter trainiert. Der Aktivitätszyklus steigt und die Ruhezeiten verringert.
Diesen Hunden zu Helfen kann in sich sehr ambivalent sein. Auf der einen Seite sind diese Hunde auf einem hohen Spannungsniveau und wahrscheinlich auch körperlich sehr gut trainiert. Diese „Reizjunkies“ müssen erst einmal „heruntergefahren“ werden, um eine Möglichkeit des Aushaltens von Konzentration, Ruhe, Frustration zu lernen. Der zwanghafte Entzug des übersteigerten Verhaltens kann jedoch zu einem ausweichenden Verhalten führen. Eine Möglichkeit ist das intensive Lecken der Vordergliedmaßen bis hin zu einer akralen Leckdermatitis. Großflächige offene Hautverletzungen, die durch andauerndes belecken nicht schließen können.
In meiner Hundeschule erprobte ich erfolgreich, den mir vorgestellten Hund, ein Schäferhund Mix, von seinem hohen Anspannungslevel herunter zu bekommen. Der Hund wurde mit zwei Jahren aus einem Tierheim übernommen. Der neue Halter hatte einen Bauernhof. Als dieser jedoch verstarb, wurde das Tier an eine Verwandte weitergegeben. Diese bewohnt ein Einfamilienhaus mit deutlich geringerer Auslauffläche. Was sofort auffiel, waren die großflächigen Selbstverletzungen an den Vordergliedmaßen. Die zuvor tierärztlich verordnete Gabe von Medikamenten, hier Prednisolon, über längere Zeit, hatte keinen Erfolg. Ich bot der Halterin und deren Hund die Möglichkeit, den Spannungslevel des Hundes zu senken. Der Schäferhund war durch seine gestörte Konzentration kaum ansprechbar. Auch Hundekontakte wurden gemieden, da er durch sein gestörtes Verhalten keine adäquaten Möglichkeiten hatte, mit anderen Hunden in angemessener Form zu kommunizieren. Die einzige Möglichkeit, die er zeigte, war andere Hunde in das Hinterteil zu beißen. Warum er solch einen Impuls hatte, kann ich nur mutmaßen. Er beabsichtigte vielleicht die anderen Hunde zum Weglaufen zu bewegen, damit er sie als Beute jagen kann. Damit käme er wieder seiner Sucht nach Bewegungsreizen nach. Auffällig waren auch bis auf mindestens die Hälfte herunter geschliffenen Caninus. Diese Fang- oder Eckzähne können zum Beispiel durch ständiges Treiben von Bällen dermaßen stark abgenutzt werden.
Ich bot dem Hund ein großes abgezäuntes Grundstück, auf dem er seinen Bewegungsdrang ausleben kann. Aber keinerlei Animationen seitens von mir. Zusätzlich stellte ich eine sehr souveräne Hündin mit dazu. Zu einem späteren Zeitpunkt kamen noch zwei weitere Hündinnen dazu. Der Zeitrahmen entsprach 3 x wöchentlich jeweils ca. 8 Stunden. Die Halterin dosierte in dieser Zeit, auf eigenen Wunsch, die Medikamentengabe schrittweise herunter auf Null. Nach ca. drei Wochen war deutlich zu sehen, das die Verletzungen an den Vordergliedmaßen kleiner wurden. Auch entwickelte der Schäferhund Möglichkeiten, mit den Hündinnen auf artgerechtere Weise zu kommunizieren. Nach ca. 7-8 Wochen waren die Wunden an den Gliedmaßen komplett verheilt. Auch die Kommunikation mit „seinen“ drei Hündinnen hatte sich stark verbessert.
Obwohl es dem Hund viel besser geht, ist sein Erregungslevel immer noch erhöht. Auf kleinste Reize reagiert er durch bellen und schnelle Bewegungen. Seine Konzentrationsfähigkeit ist immer noch von sehr kurzer Dauer. Der Hund ist schwierig anzusprechen und die Aufmerksamkeit wird nur sehr kurz gehalten.
Da der Schäferhund schon in seinem 11. Lebensjahr ist und mittlerweile einen deutlich ausgeglicheneren Gemütszustand anzeigt, wird von einer zusätzlichen Stufe an Möglichkeiten abgesehen.
Je nach Lebenslage des Hundes und den finanziellen Möglichkeiten der Halter kann es sinnvoll sein, einen Fachtierarzt für Verhaltenskunde hinzu zu ziehen. Dieser Tierarzt in seinen Fachbereichen Endokrinologie, Neuropharmakologie und Verhaltenstherapie ist aus seiner Disziplin heraus eine sinnvolle Ergänzung, um den Hund eine optimale Unterstützung zu bieten. Es würden Differenzialdiagnosen gestellt. Neben der Aufmerksamkeitsdefizit- /Hyperaktivitätsstörung (ADHS), würde noch eine Fehlfunktion der Schilddrüse, Zwangsstörungen als auch Störungen der Impulskontrolle in Betracht kommen (Tierärztliche Praxis Kleintiere 02/2014, S.111 ff., Piturru, Anwendung von Methylphenidat bei Hunden mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)). In enger Zusammenarbeit mit Halter und Tierarzt würde der qualifizierte Hundetrainer ein verhaltenstherapeutisch relevantes Training für den Hund anbieten und begleiten.
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Beziehung und Empathie
Hallo liebe Hundefreunde. Irgendwie ist es typisch für unsere Hunde und nicht nur für die, dass das „Hören“ auf die Hundehalterin bzw. den Hundehalter nicht immer funktioniert. Die meisten Hunde machen gerne bereitwillig das Training mit, die Kommandos ihres Menschen auszuführen, wenn die Umwelt nichts interessanteres bietet.
Das wird in der Praxis häufig so trainiert, das nach Ausführung des Kommandos eine sofortige Futterbelohnung durchgeführt wird. Somit wird ein gewünschtes Verhalten bestätigt. Vom Grundsatz her ist das auch richtig. Aber die Erfahrungen vieler Menschen mit Hunden zeigen immer wieder, das der eigene Hund gerade dann nicht „Sitz“ macht, wenn auf der anderen Straßenseite der rivalisierende Rüde läuft, der sich eventuell auch nicht gerade neutral verhält. Dieses konditionierte Lernen schließt dann leider viele Umweltbedingungen aus. Der Mensch und sein Hund sind nicht alleine, sondern werden mit Reizen konfrontiert, die es schwer machen auf den Menschen hören zu wollen. Zurück kommend auf den eingangs erwähnten rivalisierenden Rüden, denkt der eigene Hund gar nicht darüber nach für ein Stück Futterbelohnung sich brav hinzusetzen. Auch Hunde sind gute Selbstdarsteller, man denke z.B. nur an das imponierende Tragen von Beute (z.B. Stock). Somit macht es für viele Hunde keinen Sinn, sich in der Situation ruhig zu verhalten. Stattdessen wird gekontert entsprechend dem eigenen gefühlten Status.
Während viele Hunde also gerne auf Ihre Menschen hören und Ihnen die Führungsrolle überlassen, tritt bei einigen in Erscheinung, in brenzeligen Situationen nicht auf Ihre Menschen zu hören und selber zu entscheiden, wie die Situation zu handhaben ist. Und das wird natürlich auf hündischer Art und Weise durchgeführt. In der Beziehung zwischen Mensch und Hund, übernimmt der Hund also zeitweise die Führungsrolle und bestimmt wie im geschilderten Beispiel beschrieben, wie die Kontaktaufnahme zu Artgenossen erfolgen soll, die nicht zur eigenen sozialen Gruppe gehören. Was hier geschieht ist, das die gewünschte Orientierung vom Hund zum Menschen temporär auf den Kopf gestellt wird. Um das zu Verändern ist es nicht ausreichend durch konditioniertes Lernen Befehle ausführen zu können sondern die Beziehung so zu gestalten, das der eigene Hunde sich auch in schwierigen Situationen an seinem Menschen orientiert. Das bedeutet in der Praxis, wenn ich als Halterin bzw. Halter den anderen Hund keine besondere Aufmerksamkeit schenke und mein Hund sich an mir orientiert, so wird er es mir nach tun. Egal ob er den Hund mag oder nicht. Somit wurde die soziale Kontaktaufnahme auf der Weise gemanagt, das ein eventueller kurzer Blick zum anderen Hund völlig ausreichend ist.
Hunde sind soziale Lebewesen und haben eine sehr stark ausgeprägte Empathie. Das reine funktionale Lernen nach Reiz-Reaktionsmustern ist für solch hoch intelligente Lebewesen eine Unterforderung wenn nicht gar eine Beleidigung. Hunde lernen sich im Kontext Ihrer Umwelt anzupassen, wobei die emotionale Betroffenheit eine große Rolle spielt. Hunde lernen neben der Konditionierungslehre durch Beobachten und Nachahmung. Wenn wir uns als Halter in manchen Situationen unsicher verhalten, so erkennt das in vielen Fällen unser Hund. Je nach „Charakter“ wird er es uns gleichtun oder seinem Gefühl nach fehlender Führungskompetenz beim Menschen dadurch ausgleichen, die Situation durch entsprechendes handeln zu bestimmen.
In der Beziehung zu meinem Hund stehe ich unter ständiger Beobachtung, sofern er mit mir im Haushalt lebt. Meine soziale Kompetenz, worunter auch Konfliktfähigkeit und Problemlöseverhalten zählen und Empathie spielen eine tragende Rolle. Nimmt mein Hund mich so wahr, das ich Situationen des Alltags fair und verständlich löse, mich in Konflikten Durchsetzen kann und es zur Beruhigung in der sozialen Gruppe kommt, bauen sich eine Orientierung und ein Vertrauen auf, das auch in schwierigen Alltagssituationen bestehen bleibt.
Die allerbeste Methode nutzt nicht oder das sicher konditionierte Verhalten wird nicht gezeigt bei hoch intelligenten und empathischen Lebewesen, wenn die Situation dergestalt ist, das die Auswirkungen aus Sicht des Hundes zu nachteilig sind. Mein Hund entscheidet dann nach eigener Erfahrung und Gefühl, dem Augenblick zu begegnen. Ich als Mensch spiele dann in der Entscheidungsfindung keine oder nur eine Nebenrolle. Hat mein Hund jedoch erfahren, das ich verlässlich und sicher führen kann und ich diese Rolle auch einfordere, so ist es für Ihn von Vorteil sich auch in brenzeligen Situationen an mir zu orientieren. In diesem Fall ist er gewillt mir „zuzuhören“ und meinem Verhalten und Anweisungen zu folgen. Unseren Hunden mag es da wohl so wie uns ergehen. Personen, denen wir vertrauen und deren Kompetenz glauben schenken, eher in unbekannte und schwierige Situationen zu folgen als wenn es nicht der Fall ist.
Hundeerziehung ist nicht der Griff in die Methodentrickkiste oder das reine funktionale Lernen nach Reiz-Reaktionsmustern mit Belohnung bzw. Bestrafung und Verstärkern. Sie ist aufgebaut auf eine stimmige Beziehung zwischen Hund und Halter. Ist diese Beziehung gut, so fällt es mir auch in schwierigen Situationen leichter, Orientierung von meinem Hund zu mir einzufordern. Hunde sind sozial sehr intelligent und äußerst empathisch und so sollten wir auch mit Ihnen umgehen.
Hunde erkennen vertraute Gesichter auf Fotos
Die Fähigkeit Gesichter zu erkennen und zu unterscheiden wurde bisher nur Menschen und Affen zugesprochen. Eine Studie von Forschern der Universität Helsinki um Professor Outi Vainio zeigt, dass auch Hunde diese Begabung mitbringen.
Die Forscher untersuchten das spontane Verhalten der Hunde auf die Präsentation von Fotos von Menschen und Artgenossen. Sie untersuchten dazu die Augenbewegungen von Hunden, denen zunächst auf einem Bildschirm ausschließlich die Gesichter von vertrauten Menschen und Artgenossen gezeigt wurden. Zum Vergleich wurden danach Bilder fremder Menschen und Artgenossen präsentiert. Für den Versuch wurden die Hunde in Ruhe abgelegt, damit sie unabhängig von äußeren Einflüssen blieben.
Ergebnis der Studie: Hunde können auf Bildern Gesichter erkennen. Sie schauen sich Bilder von Artgenossen länger und interessierter an als Bilder von Menschen – auch wenn die abgebildeten Menschen ihnen vertraut sind. Weiterhin betrachten Hunde Bilder von vertrauten Menschen und Artgenossen gründlicher als solche von ihnen unbekannten. Durch einen zusätzlichen Untersuchungsansatz mittels umgedrehter Bilder, konnten die Forscher außerdem entdecken, dass Hunde in der Betrachtung der Bilder jeweils einen Schwerpunkt auf die Augenpartie der abgebildeten Menschen oder Artgenossen legten.
Hunde haben also grundlegende Fähigkeiten der Gesichtserkennung. Der Augen- und Gesichtskontakt spielt demnach eine bedeutende Rolle in der Kommunikation mit dem Hund.
Hunde verstehen Sprache
Ich habe es doch immer gewusst, mein Hund versteht jedes Wort. So oder ähnliches hat doch jeder Hundebesitzer bestimmt schon mal gedacht oder es von anderen gehört.
Forscher am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben jetzt herausgefunden, das Hunde besonders begabt sind, kommunikative Hinweise des Menschen zu nutzen, um verstecktes Futter aufzuspüren. Wölfe und Schimpansen dagegen können mit diesen Hinweisen wenig anfangen. Auch Welpen können schon die Lautäußerungen wie die erwachsenen Hunde nutzen. Diese besonderen Fähigkeiten sind wahrscheinlich im Laufe der Domestikation entstanden. Quelle: Max-Planck-Gesellschaft